Digitales Unterrichten - „Sprachaufnahmen sind ein sehr gutes Hilfsmittel zum Lernen“

02. Juni 2021

Dr. Nils Bernstein

Während der Corona-Pandemie muss die Lehre an der Universität Hamburg ins Digitale verlegt werden. In einer Interviewreihe sprechen Dozierende über Herausforderungen, Lösungen – und Veränderungen, die auch nach der Pandemie bleiben könnten. Heute: Dr. Nils Bernstein, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Sprachenzentrum.

Wie sind Sie mit dem plötzlichen Umstieg ins Digitale umgegangen?
Ich kannte Zoom bereits von einer Tagung, die immer digital stattfindet. Deshalb war ich damit vertraut. Ich fand dann die Herausforderung bei der Umsetzung meiner eigenen Veranstaltungen im Bereich „Deutsch als Fremdsprache“ aber trotzdem sehr groß.

Wie funktioniert Online-Lehre, wenn es um Sprache geht?
Es kommt sehr auf das Format an. Ich biete fachsprachliche Kurse zur Vorbereitung auf Sprachprüfungen an oder Kurse zum Verfassen von Hausarbeiten und wissenschaftlichen Arbeiten, bei denen wir mit eigenem Material arbeiten. Das geht beides gut. Allgemeinsprachliche Kurse, zum Beispiel auf B1- oder B2-Niveau, sind da anders gelagert. Gut ist, dass wir in den allgemeinsprachlichen Kursen mithilfe von Lehrbüchern arbeiten. Die Verlage, zu denen wir dankenswerter Weise gute Kontakte haben, haben gut reagiert und digitales Material sowie Online-Fortbildungen für Lehrende bereitgestellt. Leider bleibt die Lehre in manchen Teilen trotzdem defizitär: In Videokonferenzen kommen Gestik und Mimik, Körpersprache, nonverbale Signale nicht so rüber wie in Präsenz.

Schwierig ist es auch im kreativen Bereich oder bei ganzheitlichen Übungen. Zu sagen: „Wir stehen alle auf und machen Lockerungsübungen“, oder kreative Situationen, bei denen man sich im Raum bewegt. Beides ist didaktisch hoch sinnvoll, aber ohnehin in manchen Lernkulturen ungewöhnlich und leider vor der Webcam dann noch schwerer schwer umzusetzen. Was die Technik angeht, wurde ich aber sehr gut unterstützt durch das Beratungsangebot vom Hamburger Zentrum für Universitäres Lehren und Lernen und auch durch das Rechenzentrum.

Sie haben es aber sogar geschafft, einen digitalen Poetry Slam zu veranstalten.
Ja, denn mein Ansatz ist: Wenn Studierende kreative Texte schreiben, sind sie auch in der Lage, bessere Hausarbeiten zu schreiben. Deshalb habe ich bereits häufiger Poetry Slams organisiert, bei denen die Studierenden dann in Cafés oder Bars ihre Texte vorgetragen haben. So etwas haben wir auch beim Universitätsjubiläum vor dem Audimax machen dürfen. Und das wollten wir dann auch im digitalen Semester machen. Es wurde also unterrichtet, wie man Poetry-Slam-Texte erstellt, und wir haben dann ein Zoom-Webinar gemacht. Dort haben die Studierenden vorgetragen. Die Studierenden hatten die Kameras an, die Zuschauenden nicht. Applaudiert wurde per Händeapplaus. Das hat super funktioniert! Mehr noch: Ein Zuschauer von einem Verlag hat das gesehen und uns dann auf das digitale Special Event des Verlages zur Frankfurter Buchmesse eingeladen, die ja auch zum größten Teil digital war. Das war für die Studierenden ein Highlight. Da hat sich durch das digitale Format sogar eine ganz neue Möglichkeit aufgetan!

Was macht für Sie gute digitale Lehre aus?
Studierende lernen am besten, wenn sie aktiv sind und mitmachen. Das sollte man auch in der digitalen Lehre umsetzen. Ich finde zum Bespiel Umfragen während einer Konferenz sehr gut. Da machen alle mit und man kann außerdem sehr schnell ein Meinungsbild erheben. Gruppenarbeit mit Breakout-Sessions ist auch sehr wichtig – und natürlich das Feedback von den Studierenden. Das geht digital übrigens in Form von Online-Umfragen viel bequemer als mit den Zetteln, die ich sonst immer an alle verteilt habe.

Wie haben Sie Ihre Lehre verbessert und was wird vermutlich bleiben, auch wenn Präsenzveranstaltungen wieder möglich sind?
Es hat sich vieles eingespielt: Ich habe Routinen entwickelt und bin mit der Technik vertraut. Grundsätzlich glaube ich, dass es für alle Lehrende einen Nachholbedarf in Sachen digitaler Lehre gab. Ich selbst wollte zum Beispiel immer lernen, wie ich das Geschehen auf meinem Monitor abfilmen und per E-Mail verschicken kann. Das kann ich jetzt! Ich verschicke auch öfter Sprachaufnahmen oder Videos von mir an Studierende – und umgekehrt genauso. Dabei geht es unter anderem darum, die Aussprache und Intonation zu kontrollieren und zu kommentieren. Das mache ich jetzt noch viel häufiger und es ist ein ideales und zugleich ganz persönlich zugeschnittenes Hilfsmittel zum Lernen. Das werde ich auch in Zukunft beibehalten, weil das ganz einfach mit jedem Handy zu machen ist. Und es ist super, weil man da allen Teilnehmenden wirklich eine individuelle Rückmeldung geben kann. Das ist im Seminarraum in der Form gar nicht möglich.


Zur Person
Dr. Nils Bernstein ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Sprachenzentrum der Universität Hamburg und Sprecher des Bereichs „Deutsch als Fremdsprache“ und Koordinator der Zertifkatsprüfungen. Zielgruppe seiner Kurse sind Studierende aus aller Welt, die an der Universität Hamburg studieren. Neben kompetenzorientierten Kursen zu wissenschaftlichem Arbeiten oder zur Vorbereitung auf Sprachtests bietet er auch Kurse zu ganzheitlichem und performativem Lernen an.