Forschungsprojekt für den Einsatz von Wasserstoff in der Luftfahrt startet in Hamburg

12. Juli 2021

Pionierprojekt erprobt Wartungs- und Bodenprozesse zukünftiger Flugzeuggenerationen. A320 wird mit Wasserstoff-Infrastruktur ausgestattet.

Hamburg (DE) 7. Juli 2021: Die Luftfahrtbranche bereitet sich auf das Fliegen mit Wasserstoff vor. Am weltweit drittgrößten Luftfahrtstandort Hamburg startet nun eine neuen Entwicklungsplattform um bereits ab 2022 die neue Technologie zu erproben. Gefördert von der Hansestadt Hamburg wird Lufthansa Technik zusammen mit dem DLR, dem ZAL sowie dem Hamburg Airport in den kommenden zwei Jahren umfangreiche Wartungs- und Bodenprozesse im Umgang mit der Wasserstofftechnologie konzipieren und erproben. Dazu wird auf der Hamburger Lufthansa-Technik-Basis ein Flugzeug der Airbus-A320-Familie zum stationären Labor umgebaut.

Flüssiger Wasserstoff (LH2) wird in den Entwicklungsabteilungen der großen Flugzeughersteller immer konkreter als nachhaltig produzierbarer Kraftstoff für zukünftige Generationen von Verkehrsflugzeugen ins Auge gefasst. Um die Auswirkungen des Einsatzes von LH2 auf Wartungs- und Bodenprozesse schon frühzeitig zu untersuchen, bündeln Lufthansa Technik, das Deutsche Zentrum für

Luft- und Raumfahrt (DLR), das Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) und der Hamburg Airport nun ihre umfangreiche praxisnahe und wissenschaftliche Expertise. Ziel ist es, gemeinsam einen zukunftsweisenden Demonstrator zu entwickeln und ab 2022 zu betreiben.

Als drittgrößter Luftfahrtstandort der Welt fördert die Freie und Hansestadt Hamburg das Forschungsvorhaben mit dem größten einzelnen Posten aus ihrem Sonderprogramm zur Dämpfung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Luftfahrtbranche.

Infografik
Quelle: Hamburg Marketing
Mögliche Anwendungsfelder für flüssigen Wasserstoff in und an zukünftigen Flugzeugen (blaue Pfeile) sowie am Flughafen (Bodenfahrzeuge) und seiner Peripherie (Tankanlagen). Die blauen Pfeile skizzieren potenzielle Anwendungsfelder im Flugzeug: So könnten zukünftig zum Beispiel die Satellitenkommunikation sowie Galleys, Kabinen- oder IFE-Systeme mit Elektrizität aus einer Brennstoffzelle betrieben werden. Welche Anwendungsfelder tatsächlich in der praktischen Evaluation genauer untersucht werden sollen, legen die Projektpartner in den kommenden Monaten fest.

"Hamburg ist nicht nur einer der drei größten Luftfahrtstandorte der Welt, im vergangenen Jahr hat die Hansestadt auch die klare Vision entwickelt, zu einer bedeutenden Wasserstoff-Metropole zu werden", erklärte Michael Westhagemann, Senator für Wirtschaft und Innovation der Freien und Hansestadt Hamburg. "Ich sehe es daher als einen ebenso logischen wie erfreulichen Schritt an, diese beiden Kernkompetenzen der Hansestadt miteinander zu kombinieren. Der Hafen, die Energiewirtschaft, die Industrie und der gesamte Mobilitätssektor sind eingebunden und bereiten sich auf diese wegweisende Technologie vor. Mit diesem Vorhaben leisten wir nun auch einen essentiellen Beitrag zur Transformation der Luftfahrt zu einer klimaneutralen Mobilitätslösung der Zukunft. Klares Ziel ist der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft am Standort Hamburg, die international eine Spitzenposition einnimmt."

Ziel der Partner ist es, in der ersten Phase des Projekts bis Ende 2021 die dringendsten Entwicklungsfelder für die genauere wissenschaftliche Betrachtung zu identifizieren und auf dieser Basis das Konzept für die anschließende praktische Erprobung auszuarbeiten.

Die praktische Umsetzung des Konzepts beginnt ab Anfang 2022 und sieht die Modifikation eines ausgemusterten Flugzeugs der Airbus-A320-Familie vor. Dieses wird mit einer LH2-Infrastruktur ausgestattet, um auf der Hamburger Lufthansa-Technik-Basis als voll funktionsfähiges Reallabor zu fungieren. Parallel dazu entsteht beim DLR eine virtuelle Umgebung, mittels der eine digitale und hochgenaue Abbildung der zuvor festgelegten Entwicklungsfelder erreicht werden soll. Die neue Entwicklungsplattform soll durch parametrierte und hochgenaue virtuelle Modelle Impulse für den Design-Prozess der nächsten Flugzeuggeneration liefern.

Lufthansa Technik wird vor diesem Hintergrund vor allem seine große operative Expertise bei der Instandhaltung und Modifikation von Verkehrsflugzeugen in das Vorhaben einbringen und kann durch den engen Kontakt zu Airlines auf der ganzen Welt auch die Kundenperspektive einfließen lassen. Das DLR wird seine langjährige und sektorübergreifende Erfahrung mit Wasserstoff ergänzen und den Schwerpunkt auf die Entwicklung der virtuellen Umgebung legen. Das ZAL beteiligt sich darüber hinaus mit seinem großen Know-how auf dem Gebiet der Brennstoffzellentechnik und deren digitaler Prozessabbildung. Der Hamburg Airport als assoziierter Partner wird vor allem seine Erfahrungen aus der Betreibersicht beisteuern, beispielsweise in der Definition von Anforderungen an den Bodenabfertigungsprozess zukünftiger LH2-betriebender Flugzeuge.

"Die Transformation unserer Branche hin zum klimaneutralen Fliegen ist alternativlos. Mit diesem Projekt wollen wir diese enorme technologische Herausforderung, auch für die MRO-Industrie, schon frühzeitig angehen. Damit betreiben wir aktive Zukunftssicherung, weil wir schon heute Know-How für die Wartungs- und Bodenprozesse von übermorgen aufbauen", erklärte Dr. Johannes Bußmann, Vorstandsvorsitzender der Lufthansa Technik AG. "Ich bin daher froh, dass uns bei diesem Vorhaben ein Schulterschluss mit starken Partnern gelungen ist. Für die Weitsicht der Stadt Hamburg und die großzügige Förderung dieses Vorhabens bin ich sehr dankbar."

"Die Flugzeuge der Zukunft sind leichter, effizienter und fliegen mit alternativen Antriebskonzepten. Wasserstoff wird dabei eine wichtige Rolle spielen. Wir müssen rechtzeitig detailliert lernen, welche Anforderungen der Realbetrieb mit Wasserstoff am Boden für Flugzeuge und Wartung bereithält", sagte Dr. Markus Fischer, DLR-Bereichsvorstand Luftfahrt. "Mit diesen Daten und Erfahrungen entwickeln wir im Projekt digitale Modelle für Bodenprozesse. Diese digitalen Prozess-Zwillinge können dann direkt im Entwurf zukunftsweisender und gleichzeitig praktikabler Flugzeugkonfigurationen eingesetzt werden."

"Die Entwicklung eines Reallabors und digitalen Zwillings ist ein wichtiger Baustein von Hamburgs Green Aviation Technology Roadmap. Diese wurde gemeinsam mit den Mitgliedern des Hamburg Aviation Clusters im letzten Jahr entwickelt, um Hamburgs Kompetenzen in Forschung und Entwicklung im europäischen Kontext zu stärken", sagte Roland Gerhards, Chief Executive Officer der ZAL GmbH. "Wir danken der Stadt Hamburg für die Unterstützung, nun gemeinsam diese Standortstrategie zur Entwicklung zukünftiger LH2-betriebener Luftfahrzeuge umzusetzen."

Michael Eggenschwiler, Vorsitzender der Geschäftsführung am Hamburg Airport, sagte: "Klimafreundliches Fliegen mit Wasserstoff-Technologie ist nur möglich, wenn auch die Infrastruktur am Boden optimal passt. Hier ist eine enge Abstimmung gefragt, und wir als Flughafen freuen uns, unser Know-how in diesem wichtigen Projekt beisteuern zu können: von Fragen der Lagerung über die Distribution bis hin zum Betankungsprozess auf dem Vorfeld. Auch am Flughafen setzen wir bei unseren Bodenverkehren auf Wasserstoff als Technologie der Zukunft. Dieses Projekt bietet uns die Chance, Synergieeffekte zwischen gasförmigem Wasserstoff, wie er beispielsweise für die Betankung unserer Gepäckschlepper genutzt wird, und flüssigem Wasserstoff für die Flugzeug-Betankung zu identifizieren und bestmöglich zu nutzen."

Über Lufthansa Technik:
Der Lufthansa Technik-Konzern ist mit rund 35 Tochter- und Beteiligungsunternehmen einer der weltweit führenden Anbieter flugzeugtechnischer Dienstleistungen.Mehr als 22.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind für den international zertifizierten Instandhaltungs-, Herstellungs- und Entwicklungs-betrieb tätig. Das Angebot von Lufthansa Technik umfasst das gesamte Service-Spektrum für Verkehrs-, VIP- und Special Mission-Flugzeuge. Dazu gehören die Wartung, Reparatur, Überholung und Modifikation von Triebwerken, Komponenten sowie Fahrwerken, aber auch die Herstellung von innovativen Kabinen-produkten und eine digitale Flottenbetreuung.

Über das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR):
Das DLR ist das Forschungszentrum der Bundesrepublik Deutschland für Luft- und Raumfahrt. Wir betreiben Forschung und Entwicklung in Luftfahrt, Raumfahrt, Energie und Verkehr, Sicherheit und Digitalisierung. Die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR ist im Auftrag der Bundesregierung für die Planung und Umsetzung der deutschen Raumfahrtaktivitäten zuständig. Zwei DLR Projektträger betreuen Förderprogramme und unterstützen den Wissenstransfer. Global wandeln sich Klima, Mobilität und Technologie. Das DLR nutzt das Know-how seiner 55 Institute und Einrichtungen, um Lösungen für diese Herausforderungen zu entwickeln. Unsere 10.000 Mitarbeitenden haben eine gemeinsame Mission: Wir erforschen Erde und Weltall und entwickeln Technologien für eine nachhaltige Zukunft. So tragen wir dazu bei, den Wissens- und Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken.

Über das ZAL - Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung:
Das ZAL Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung in Hamburg ist eine der modernsten Forschungseinrichtungen der zivilen Luftfahrt weltweit. Auf 26.000 m² bietet das Forschungszentrum 600 Mitarbeitern modernste Einrichtungen für gemeinsame Forschung und Entwicklung. Nach dem Konzept der "Open Innovation" arbeiten hier ca. 30 Partnerinstitutionen aus Industrie und Wissenschaft an den Innovationen von morgen. In diesem einzigartigen Umfeld arbeitet die ZAL GmbH mit rund 30 Wissenschaftlern und Ingenieuren. Sowohl partnerschaftlich als auch an eigenen Forschungsprojekten treiben die Luftfahrtexperten Technologietrends wie Robotik, 3D-Druck, Kabinennetze oder Brennstoffzelle voran.

Über Hamburg Airport:
Hamburg Airport ist der fünftgrößte Flughafen in Deutschland und rüstet sich mit einer modernen Infrastruktur für alle Herausforderungen im Flugverkehr der Zukunft. Rund 15.000 Beschäftigte sind in fast 250 Firmen auf dem Flughafen-Gelände tätig (allein bei der Hamburg Airport Gruppe: rund 2.000). Gesellschafter des teilprivatisierten Flughafens sind die Freie und Hansestadt Hamburg mit 51 Prozent sowie die AviAlliance GmbH mit 49 Prozent. Mit den Regionen Hamburg, Schleswig-Holstein sowie Teilen Niedersachsens, Mecklenburg-Vorpommerns und Dänemarks verfügt Hamburg Airport über ein großes Einzugsgebiet und ist der größte Flughafen Norddeutschlands. 2019 zählte Hamburg Airport über 17 Millionen Passagiere pro Jahr sowie rund 140 Direktziele von 70 Airlines.
Hintergrund:

Hamburg - Europas Hub für grünen Wasserstoff
Hamburg und Norddeutschland besitzen einzigartige Standortvorteile zur Erzeugung erneuerbarer Energien und ein großes Abnahmepotenzial von grünem Wasserstoff – vor allen bei ansässigen Industrieunternehmen. Damit nimmt Hamburg mit dem Norden Deutschlands eine Schlüsselrolle beim Erreichen der Klimaschutzziele und dem Gelingen der Energiewende in Deutschland ein. Zahlreiche Faktoren tragen dazu bei: von den höchsten Erzeugungskapazitäten für On- und Offshore-Windstrom und unterirdischen Formationen zur Speicherung von Wasserstoff über Seehäfen mit Logistik- und Importterminals für grünen Wasserstoff und synthetische Energieträger bis hin zu erfahrenen maritimen Unternehmen sowie Forschungseinrichtungen mit wissenschaftlicher Expertise im Bereich neuartiger Energieträger. Die Industrie mit einem sehr hohen Abnehmerpotential an Wasserstoff vollendet die Wertschöpfungskette und stellt Norddeutschland als einen idealen europäischen Standort mit klarer Zukunftsperspektive dar. Mehr: www.marketing.hamburg.de/wasserstoff.html