Wie die Digitalisierung unsere Schriftsprache verändert

07. April 2021

Prof. Dr. Jannis Androutsopoulos und Prof. Dr. Heike Zinsmeister von der Universität Hamburg haben mit einem Forschungsvorhaben zu Veränderungen der geschriebenen Sprache in den sozialen Medien eine Fördersumme von 180.000 Euro eingeworben.

Die Universität Hamburg fördert ab sofort fünf Forschungsvorhaben im Rahmen des Programms „Next Generation Partnerships – thematische Netzwerke“. Die Förderungen dienen der Vorbereitung langfristiger Drittmittelprojekte. Eines beschäftigt sich mit Veränderungen geschriebener Sprache durch die Digitalisierung.

In unserer globalisierten und digitalisierten Welt dient Geschriebenes anderen Zwecken als noch vor einer Generation. „Wenn Menschen über Smartphones und Laptops miteinander schreiben, geht es vermehrt um Interaktion und Austausch statt um sachliche Wissensvermittlung“, erklärt Jannis Androutsopoulos, Sprachwissenschaftler an der Universität Hamburg. „Dabei müssen eingetippte Schriftzeichen auch Funktionen übernehmen, die im direkten Austausch der Stimme, Gestik und Mimik vorbehalten sind. Deswegen verändern Schreibende digitale Schrift. Sie passen sie ihren kommunikativen Bedürfnissen an.“

 „Tchuligom“ (für „Entschuldigung“), „büdde“ (statt „bitte“) oder „!!1elf“ (mit einer Persiflage eines wiederholten Rufzeichens) sind laut Androutsopoulos typische Beispiele für Schreibweisen, die emotionale oder soziale Bedeutungen in der digitalen Kommunikation transportieren sollen: Unbeholfenheit, Nachdruck oder eine dialektale Färbung, mittels derer der Schreiber oder die Schreiberin im getippten Dialog etwas über den persönlichen Hintergrund verrät.

Wie sich digitale Schriftsprache in verschiedenen Sprachen und Schriftsystemen verändert, möchten Jannis Androutsopoulos und Heike Zinsmeister vom Institut für Germanistik in den kommenden drei Jahren erforschen. Die beiden Hamburger Forschenden werden dazu mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von den Universitäten Indiana, Luxemburg, Utrecht sowie King‘s College London kooperieren und nicht nur deutsche Sprachdaten analysieren, sondern auch englische, niederländische, luxemburgische, griechische und chinesische.

„Besonders die beiden letztgenannten Sprachen sind spannend, weil es sich um andere Schriftsysteme handelt“, so Androutsopoulos. Im Chinesischen beispielsweise ist eine Dopplung von Buchstaben oder eine Schreibung in Versalien nicht möglich. „Wir sind gespannt, ob in dieser Sprache Schreibende aus ähnlichen Bedürfnissen heraus zu ähnlichen Veränderungen der Sprache kommen, wie wenn man auf Deutsch oder Englisch schreibt.“

Methodologisch wollen die Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftler Synergien von qualitativen und quantitativen Verfahren ausloten. Sie greifen auf computerlinguistische Auswertungsverfahren zurück, um große Datenmengen auszuwerten, und auf ethnographische Methoden, um Schreibvariationen im Kontext zu interpretieren. Die Daten selbst werden sie den sozialen Medien entnehmen, darüber hinaus jedoch auch auf private Chats zurückgreifen. Dabei werden sich die Forschenden auf besonders emotionale Themen konzentrieren. „In den sozialen Medien lassen sich kommunikative Rituale des Feierns und Trauerns, in denen Userinnen und User expressive Möglichkeiten der geschriebenen Sprache ausloten, besonders gut beobachten“, so Androutsopoulos.


Next Generation Partnerships – thematische Netzwerke
Voraussetzung für eine Förderung im Rahmen des Programms „Next Generation Partnerships – thematische Netzwerke“ ist die Beteiligung von mindestens zwei weiteren internationalen Universitäten, wobei mindestens eine der strategischen Partnerhochschulen der Universität Hamburg beteiligt sein muss. Jedes Projekt wird mit max. 60.000 Euro p.a. für drei Jahre gefördert. Die Finanzierung erfolgt aus Mitteln der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder.

Neben dem oben genannten Projekt werden ab 2021 folgende Projekte gefördert: